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Maria im Elende
Über die wunderschöne gotische Madonna in der Kirche St. Marien gibt es zahlreiche Überlieferungen. Sie stammt ursprünglich aus dem kleinen Ort Elende bei Nordhausen:

"In einer stürmischen Winternacht zog auf der alten Handelsstraße ein Fuhrmann dahin, dessen Wagen schwer mit Weinfässern beladen war. Es war so dunkel, dass man nicht die Hand vor Augen sehen konnte, und mühsam schleppten die schweißnassen Pferde das Fuhrwerk vorwärts. Dann war es geschehen: der Wagen begann zu rutschen, glitt immer mehr zur Seite und saß in einem Loch fest. Immer wieder trieb der Fuhrmann die Pferde an, der Wagen bewegte sich nicht von der Stelle, und ratlos stand der Mann. Mit lauter Stimme rief er um Hilfe, aber der Sturm riss ihm die Worte vom Munde, und niemand konnte ihn hören. In seiner Not nahm er Zuflucht zum Gebet und wandte sich an die heilige Gottesmutter, die er von Herzen verehrte.

Im gleichen Augenblick umgab ihn blendende Helle und das Schneegestöber hörte auf. Nachdem seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, sah er vor sich eine Frauengestalt von großer Schönheit. Sie nickte ihm freundlich zu, ergriff das Handpferd am Zügel und zog mit einem Ruck Pferde und Wagen auf die glatte Straße zurück. Überrascht hatte der Fuhrmann zugesehen, dann trat er näher heran und bedankte sich bei der unbekannten Helferin. Trotz hastigen Suchens fand er nichts bei sich, womit er seinen Dank hätte ausdrücken können. Es fiel ihm seine Ladung ein der Wein. Aber auch da war er ratlos, er hatte kein Gefäß, worin er der schönen Frau einen Trunk hätte reichen können, und sagte ihr das. Da berührte die Fremde einen neben ihr stehenden kahlen Heckenrosenstrauch, und sogleich kam Leben in ihn. Er fing an zu grünen und zu knospen, und bald hing er voller schönster Rosen. Von diesen brach die Frau eine ab, formte daraus ein Gefäß und überreichte es dem erstaunten Fuhrmann. Dieser nahm es, füllte es mit Wein und wollte es der Helferin reichen. Zu seinem größten Erstaunen war diese nicht mehr zu sehen. Vergebens wandte er sich suchend nach allen Seiten um, die schöne Frau war verschwunden.

Schließlich nahm er die Pferde beim Zügel, und mit Leichtigkeit konnte er seinen Weg fortsetzen. Nach einiger Zeit kam das Gespann bei der Herberge an. Vor der Kapelle blieben die Pferde stehen und gingen keinen Schritt mehr weiter. Da der Reisende ohnehin Rast machen wollte, brachte er die Pferde in den Stall und legte sich zur Ruhe. Am nächsten Morgen betrat der Fuhrmann das kleine Gotteshaus, um für die Hilfe in der Nacht zu danken. Wie erstaunt war er aber, als er in den Gesichtszügen des Muttergottesbild seine nächtliche Helferin erkannte. Von ganzem Herzen dankte er ihr noch einmal für die Hilfe in der Not. Nach Beendigung des Gottesdienstes, dem er beiwohnte, erzählte er dem Priester von seinem Erlebnis und übergab ihm das Rosengefäß, das als ein kostbares Andenken neben der Madonna aufgestellt wurde.

Schnell verbreitete sich die Nachricht von der wunderbaren Begebenheit, und in großer Zahl kamen die Leute, um das einmalige Gefäß zu sehen. Und da der Fuhrmann auf seiner Weiterreise von der ihm zuteil gewordenen Erscheinung immer wieder berichtete, wurde die Gnadenstätte „Maria im Elende”, wie sie nun hieß, immer mehr bekannt. Selbst aus weit entfernt liegenden Gegenden kamen Pilger, um Hilfe in ihren vielerlei Anliegen zu suchen."

Wie die Madonna nach Heiligenstadt kam, erzählen zwei Überlieferungen:

"Als während der Reformation die Grafschaft Hohenstein, zu der Elende gehörte, die lutherische Lehre annahm, wurde das ehrwürdige Gnadenbild von seinem Platz entfernt und in der Sakristei abgestellt. Hier stand es Jahrzehnte hindurch, bis es eines Tages verschwunden gewesen sein soll. Es sei, so erzählt die Sage, an einem schönen taufrischen Sommermorgen aufgebrochen und nach Heiligenstadt gewandert. Dort habe man es in der Annenkapelle der Stiftskirche gefunden. Noch lange Zeit nachher sei der Saum des Gewandes zu bewundern gewesen, der vom Tau ganz nass war und nicht trocken wurde.

Wahrscheinlicher ist die andere Nachricht, nach welcher im Jahre 1626 ein kaiserlicher Offizier das Bildnis mit dem Mirakelbuch von Elende nach Heiligenstadt gebracht hat. Gewiss ist, dass es dort zunächst in der Stiftskirche in der St.-Annen-Kapelle gestanden hat und von „dem großen Haufen“, wie es in einer Urkunde heißt, der Bevölkerung also, sehr verehrt wurde."
© Thomas Schuster Heiligenstadt
Im südlichen Seitenschiff der Heiligenstädter Marienkirche befindet sich das über 2 Meter hohe Gnadenbild der Maria von Elende. Die Holzplastik stammt vermutlich aus Thüringen und wurde vor 1414 hergestellt.

Ursprünglich stand sie in der ehemaligen Wallfahrtskapelle in Elende (bei Bleicherode-Nordhausen). Während des 30jährigen Krieges 1626 gelangte sie in die Martinskirche nach Heiligenstadt, wo sie in der sogenannten „Annenkapelle“ (im Westportal der Kirche) aufgestellt war. Nach der Übergabe der Kirche an die protestantische Gemeinde im Jahre 1803 wurde sie über Nacht in der Marienkirche aufgestellt. Bis zur Sanierung der Kirche stand das Gnadenbild unter einem neugotischen Baldachin.

Auf dem Sockel steht folgende Inschrift: „SALVE REGINA JESUM NOBIS POST HOC EXILIUM OSTENDE“ (Übersetzung: Sei gegrüßt, Königin. Zeige uns Jesus nach diesem Elend.“ Bekleidet ist Maria mit einem vergoldeten Mantel. Ihr Gesicht ist leicht geneigt und trägt liebliche Gesichtszüge.

Zur Figur gehört ein Mirakelbuch aus Pergament, das mit Gebeten, Danksagungen und Berichten von Wundern beschrieben wurde. Die Eintragungen reichen von 1414 bis ins Jahr 1517.

Quelle: Rudolf Linge „Der Hahn auf dem Kirchturm“ St. Benno Verlag Leipzig 1978, „Kirchliche Kunst im Eichsfeld“ Mecke Duderstadt 1996 - Bild: © Thomas Schuster
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