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Wie der Name Heiligenstadt entstand
Der bekannte Heimat-und Namensforscher Dr. Erhard Müller über den Namen "Heiligenstadt"

„Der Name Heiligenstadt, der um 973 zum ersten Mal als „Heiligenstat“ urkundlich bezeugt wird, kann dreierlei bezeichnen: 1. eine Kultstätte „zur heiligen Stadt”, 2. einen im Besitz der Kirche befindlichen Ort, 3. eine durch Reliquien oder Gebeine von Märtyrern geheiligte Stätte. Zum Jahre 1144 lesen wir in einer Urkunde: „in loco Sanctorum Virorum, qui linqua vulgari Heilingestat nuncupatur“. Zu deutsch: an der Stätte der heiligen Männer, die in der Umgangssprache Heilingestat genannt wird. Wir werden uns also der letztgenannten Deutung anschließen. In der Neustädter Kirche zu Heiligenstadt werden die Reliquien der Heiligen Aureus und Justinus aufbewahrt. (Verf.: Die Ortsnamen des Kreises Heiligenstadt, Halle/S. 1958)

Es gibt ein „Heiligenstadt“ (nördlicher Vorort von Wien), berühmt durch das „Heiligenstädter Testament“ Beethovens. Vergleiche noch „Heiligenstedten“ bei Itzehoe (1140 „Heligenstide“), „Heiligenstein“ bei Speyer (Prof. Dr. NR. Fischer u. a, in: „Namen deutscher Städte“, Berlin 1963). Abzuweisen ist die Erklärung des Namens von „hellinge, heldinge“ — Schräge, Abhang, weil das sprachgeschichtlich nicht möglich ist, ganz abgesehen davon, daß die genannten Wörter im Mittelhochdeutschen gar nicht vorkommen.

„Statt“, mittelhochdeutsch „stat“, entspricht unserem „Ort, Stelle, Stätte, Platz“. Über die Bedeutung „Stelle, auf der etwas steht“, konnte man dann in späterer Zeit leicht zu mittelhochdeutsch „stat“ = Stadt im Sinne von Handelsplatz, Verkaufszentrum, Marktort gelangen. Das geschah, als das neue soziale Gebilde der Stadt einer eigenen Bezeichnung bedurfte und „Burg“ begrifflich eine notwendige Spezialisierung erfuhr. „Stat“ gewann, wie gesagt, erst im hohen Mittelalter die Bedeutung „Stadt“ = Bürgersiedlung in unserem heute noch gültigen Sinne.

Der Name „Heiligenstadt“ dürfte erst im 8./9. Jahrhundert aufgekommen sein. Diese Ansicht wird durch die Beobachtung besonders geschützt, daß im Mittelrheingebiet, also auch in der Mainzer Erzdiözese, die Namen alter klösterlicher Niederlassungen mit „Stat“ gebildet wurden. Zum Beispiel „Marienstatt, Seligenstadt, Bleidenstatt“. Auf Grund der zahlreichen vorgeschichtlichen Funde bei Heiligenstadt, zum Beispiel der Grabfund am östlichen Stadtrand im Geisledetal, darf man für Heiligenstadt einen uns nicht überlieferten Ortsnamen vermuten. In einer Legende, deren Verfasser Papebroch ist, wird ein kleines Dörfchen „zuenchen“ genannt, das unweit des Martinstiftes gelegen haben soll. Ein solches „Zuenchen“ ist aber bisher in keiner Urkunde gefunden worden.

Bekannt ist von altersher der „Knickhagen“, der als einer der ältesten Teile von Heiligenstadt gilt. Ihn fand ich zum Jahre 1634 im Lagerbuch von Heiligenstadt genannt: Vor dem Knickhagenn. Niederdeutsch „Knick“ ist die lebende Hecke, die alle paar Jahre abgestutzt wird: namentlich die im freien Felde hinlaufende Hecke: „Hagen“, althochdeutsch „hagan“, mittelhochdeutsch „hagen“ bedeutet „Dornstrauch, Gebüsch, umhegter Ort“. Weder Zuenchen noch der Knickhagen können als älteste Namen für Heiligenstadt gelten. In der Namensforschung kann man sich nur auf urkundlich gesicherte älteste Orts- bzw. Flurnamen stützen. In der Regionalgeschichte überhaupt ist stets von der auf neuesten Erkenntnissen beruhende Literatur auszugehen. Dasselbe gilt übrigens für jeden Wissenschaftszweig.“

Quelle: Thüringer Tageblatt 1983, Dr. Erhard Müller – Bild: Stadtansicht von 1960 Postkarte aus dem Fundus Franz Bader © Thomas Schuster Heiligenstadt
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