Thomas Müntzers Vertreibung aus Allstedt
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Zeitgeschehen · Samstag 10 Mai 2025 · 3:15
Tags: Bauernkrieg, Allstedt, Müntzer
Tags: Bauernkrieg, Allstedt, Müntzer
Ein geschichtliches Unterrichtsbild für die Oberklassen gehobener Bürgerschulen in Thüringen
„… Kurz nach dieser traurigen Begebenheit erhielt Müntzer durch seinen Freund, den Schösser Hans Zeyß, eine Vorladung nach Weimar, um sich daselbst zu rechtfertigen. Er hatte nämlich das Versprechen abgeben müssen, ohne vorhergegangene Genehmigung des Churfürsten oder des Herzogs Johann nichts Schriftliches mehr im Lande drucken zu lassen. Müntzer aber hatte nicht Wort gehalten. Dazu kam die fanatische Zerstörung der Kapelle und noch obendrein eine schwere Anklage des Herzogs Georg, des eifrigsten Feindes der Kirchenverbesserung, wegen aufrührerischer Reden. Die angekommenen Befehle waren daher scharf.
Sein Drucker mußte sogleich die ehrsame Stadt verlassen und Müntzer selbst zur Stunde aufbrechen zum Verhör nach Weimar. Die Bürger von Allstedt und alle seine Anhänger waren froh, daß es endlich einmal dahin gekommen, daß ihres Freundes Sache öffentlich vor dem ganzen Volke geprüft und gerichtet werden sollte. Sie versprachen sich von seiner Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit nur Gutes, zumal da sie an seine Sache ebenso unerschütterlich glaubten, wie an das Evangelium. Müntzer selbst hatte schon längst ein solches Verhör über seine Ansichten und Lehren, sein Thun und Lassen gewollt und auch verlangt, aber immer vergebens. Mit dem festen Entschlusse, in Weimar Niemandem zu schmeicheln, weder dem Adel noch den Fürsten, um seiner Sache zu dienen, reiste er, von den Segenswünschen seiner Freunde begleitet, getrosten Muthes ab.
Das Verhör aber war nicht öffentlich vor dem Volke, und auch Luther, auf dessen Gegenwart Müntzer ganz besonders gerechnet hatte, nicht anwesend. Nur einige Domherrn saßen über ihn zu Gericht und legten ihm im Beisein der Fürsten allerhand verfängliche Fragen vor, die sämmtlich den christlichen Glauben betrafen und forderten schließlich einen Widerruf Alles dessen von ihm, was er bisher gelehrt und in seinen Schriften verbreitet hatte. Die ganze Verhandlung aber hatte die größte Ähnlichkeit mit dem Verhöre eines gewöhnlichen Verbrechers. Durch diese Geringschätzung wurde Müntzers Stolz und Ehrgeiz so empfindlich gekränkt, daß er auf viele Fragen entweder gänzlich schwieg, oder weiter nichts als: „in Gottes Namen! in Gottes Namen“! antwortete. Am Schlusse des Verhörs wurde er ungnädig entlassen und trat mit Schmerz und bitterm Groll im Herzen die Rückreise nach Allstedt an.

Seine Anhänger hofften, daß der Vorgang keine weitern und schlimmern Folgen nach sich ziehen werde, um so mehr, da man den Fürsten zu Sachsen nicht den Muth Zutraute, gegen einen beim Volke so angesehenen Lehrer, wie Müntzer damals war, etwas Gewaltthätiges zu beschließen, und so erwarteten sie auch, daß der Brief, welchen Luther in diesen Tagen an die sächsischen Fürsten in den Druck gegeben, und worin er sie ermahnte, den aufrührerischen Geist der Zeit zu unterdrücken, wirkungslos bleiben werde. Aber man hatte sich sehr getäuscht. Denn einige Tage nach Müntzers Ankunft in Allstedt war der strengste Befehl eingetroffen, ihn binnen zwölf Stunden aus der Stadt und binnen sechzehn aus dem Lande zu verweisen, da er Irrlehren gepredigt und Aufruhr im Volke angezettelt habe gegen die Obrigkeit und alle rechtmäßigen Herren, wie der Aufwieglungsbrief an die Gemeinde von Sangershausen thatsächlich und mit klaren Worten beweise. Dieses Urtheil gegen Müntzer wurde noch milde und gütig genannt, da er sich im Verhör so bescheidentlich und ohne alle Widersetzlichkeit benommen habe. Noch am selbigen Tage verließ Thomas Müntzer, seines Amtes entsetzt, die liebe und getreue Stadt Allstedt und fand in der Reichsstadt Mühlhausen eine neue Zufluchtstätte. Von jetzt aber ging er mit immer raschern Schritten seinem unglücklichen Verhängniß entgegen.“
Quelle: Allstedt, August Schauseil – Bild: Herzogliches Schloß in Weimar 1927 (Der Pflüger)