Frohe Ostern und Aus dem Archiv: Auch eine Osterpredigt
Ein schönes Osterfest!
Auch eine Osterpredigt
"Ostern ist's. Hoch oben im sonnigen Stüblein stehen Mutter und Tochter am Fenster. Beide blicken hinüber auf einen kleinen Sperling, der sich bei seinem munteren Spiele plötzlich in einen Faden verwickelt, den er zum Bau eines Nests getragen hat. Das arme Tierchen versucht zu fliegen, aber die Fessel hält es, und willenlos hängt's in der Dachrinne. Das Mädchen eilt betrübten Herzens zur Kirche, die Mutter, von langer Krankheit noch wach, blickt sinnend hinüber. „Kein Sperling fällt zur Erde ohne den Willen des Herrn! Alte dieser sich zu Tode quälen an diesem Fest- und Auferstehungstage?“
Da kommen zwei Täublein geflogen, gehen durch die Rinne, sehen den Vogel und fliegen weiter. Doch siehe, eins kehrt zurück, es hat das weiche Spatzennest entdeckt und will hinein. Aber das Nest ist zu klein für die Taube, sie zerkratzt darum den Bau, um Raum zu schaffen. Da plötzlich lauter Jubelton, - sie hat das Band gelöst, der befreite Vogel schwingt sich fröhlich zwitschernd davon. -
Und als die Tochter heimkehrt, empfängt die Mutter sie mit den Worten: „Die Haare auf unserem Haupte sind gezählt, und kein Sperling fällt zur Erde ohne seinen Willen, - das Tierlein ist gerettet“ Und mir hat es als Gottesbote die frohe Osterkunde ins Krankenstübchen gebracht: „Gelobet sei der Herr! Unsere Seele ist entronnen, wie ein Vogel dem Stricke; der Strick ist zerrissen, und wir sind los, denn der Herr ist auferstanden Halleluja!“

Quelle: Monatsblatt für die Gemeinden Bischleben, Rhoda und Stedten (S. Gotha) 1911 - Bild: Postkarte um 1900 aus dem Fundus Franz Bader