Die Grenze fällt
Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer und damit wurden auch die Grenzen zur Bundesrepublik geöffnet. Auslöser war die missverständliche Bekanntgabe der neuen Reiseregelung durch Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz: „Das tritt nach meiner Kenntnis … sofort, unverzüglich …“. Menschen strömten zu den Grenzübergängen, wo die überraschten Grenzsoldaten schließlich den Übergang an der Bornholmer Straße öffneten, was den Beginn des Mauerfalls einläutete.
Es war keine Fluchtwelle, sondern ein gewaltiger Besucherstrom: Tausende aus der DDR machten sich nach der Grenzöffnung spontan auf den Weg in den Westen, um die neue Reisefreiheit zu erleben und wieder zurückzukehren. Viele fuhren direkt nach der Arbeit los oder erschienen gar nicht erst. Das Kontrollsystem der DDR brach bei dem Ansturm zusammen.
Am 10. November füllten Menschenmassen Duderstadts Innenstadt. Behörden, Zoll, Grenzschutz, Polizei und freiwillige Helfer arbeiteten rund um die Uhr. Bald reichte die Zahlstelle für das Begrüßungsgeld nicht mehr aus; das Geld wurde in der Eichsfeldhalle und im Schützenhaus ausgezahlt. Provisorische Parkplätze entstanden, und kilometerlange Staus reichten bis weit nach Thüringen hinein. Eine Abgaswolke hing über der Stadt. In Teistungen wurde ein Buspendelverkehr für Fußgänger und Zweiradfahrer eingerichtet.
Die Stimmung war euphorisch, ein unbeschreibliches Gefühl des Glücks und der Freude. Fremde lagen sich in den Armen, feierten und nutzten endlich die Chance, frei miteinander zu reden. Geschäfte öffneten so lange, wie sie Waren hatten – Südfrüchte, Spielzeug, Kleidung und Geschenke wurden gekauft, vieles von dem neuen Westgeld aber gespart (Kurs 1:7 bis 1:10). Entlang der Grenze zeigten viele Westdeutsche spontane Hilfsbereitschaft: Sie versorgten und beschenkten die Besucher aus dem Osten. Und dennoch blieb die Angst: Würde diese Freiheit bleiben?
Bild: Grenzöffnung am 10. November 1989 - Schlange in Teistungen – © Thomas Schuster Heiligenstadt