Das Jahr 1990
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Zeitgeschehen · Mittwoch 02 Jul 2025 · 3:00
Tags: Wende, Wiedervereinigung
Tags: Wende, Wiedervereinigung
Mit dem Fall der Mauer begann für westdeutsche Unternehmen ein beispielloser Expansionskurs in Ostdeutschland. Dabei kamen beim Einzug der westlichen Marktwirtschaft auch fragwürdige oder aggressive Methoden zum Einsatz, die schnell für Unmut in der DDR-Bevölkerung sorgten. Ein deutliches politisches Signal setzte die erste Leipziger Montagsdemonstration des Jahres am 8. Januar. „Deutschland, einig Vaterland“ wurde zur dominierenden Forderung.
In einer Regierungserklärung am 11. Januar stellte Hans Modrow klar, dass eine Währungsunion zu diesem Zeitpunkt nicht vorgesehen sei. Ende Januar beschloss der Ministerrat erste Wirtschaftsreformen: In Handwerk, Handel und Dienstleistungen wurde die uneingeschränkte Gewerbefreiheit eingeführt. Eine neue Verordnung zur „Gründung und Tätigkeit von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung“ erlaubte Beteiligungen bis zu 49 Prozent – in Ausnahmefällen auch mehr.
Obwohl Erich Honecker, der sich einer Krebsoperation unterzogen hatte, laut ärztlicher Einschätzung haftunfähig war, wurde er am 29. Januar aus dem Krankenhaus verhaftet. Auf Vermittlung von Bischof Gottfried Forck und Konsistorialrat Manfred Stolpe wurde das Ehepaar Honecker beim Pastor Uwe Holmer in Lobetal bei Bernau aufgenommen.
Im Januar verließen über 75.000 Menschen die DDR Richtung Westen.
Am 18. März fanden die ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Insgesamt traten 24 Parteien, politische Vereinigungen und Listenbündnisse an. Von den 12,2 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich 93,39 Prozent. Überraschend errang die konservative „Allianz für Deutschland“ (CDU, DSU und Demokratischer Aufbruch) mit 47,8 Prozent einen klaren Wahlsieg. Die CDU erhielt 40,6 Prozent, die DSU 6,3 Prozent und der Demokratische Aufbruch 0,9 Prozent. Die SPD erreichte 21,8 Prozent, gefolgt von der PDS mit 16,3 Prozent.
Am 5. April wurde Sabine Bergmann-Pohl (CDU) zur Präsidentin der Volkskammer gewählt. Am 10. April übernahm sie zusätzlich die Aufgaben des Staatsratsvorsitzenden und war somit amtierendes Staatsoberhaupt der DDR.
In seiner Regierungserklärung am 19. April bekannte sich Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der Bundesrepublik. Die Umstellung der Währung sollte im Verhältnis 1:1 von der Mark der DDR auf die D-Mark erfolgen. Ziel seiner Regierung sei es, zu verhindern, dass DDR-Bürger sich als „Bürger zweiter Klasse“ fühlen. De Maizière dankte seinem Vorgänger Hans Modrow (PDS) für dessen „behutsame Politik“, die der DDR vieles erspart habe.
Am 7. Juni setzte die Volkskammer einen Sonderausschuss ein, um die Auflösung der Stasi, die inzwischen dem Innenministerium unterstand, zu kontrollieren. Vorsitzender wurde der Rostocker Pfarrer Joachim Gauck (Bündnis 90).
Am 1. Juli kam die D-Mark – das Ende der „Alu-Chips“ war besiegelt. Insgesamt wurden 25 Milliarden DM verteilt – 6.000 Tonnen Scheine und 500 Tonnen Münzen. Der Übergang verlief überraschend ruhig: Am ersten Tag wurde nur ein Viertel des bereitgestellten Betrags abgehoben.
Am 22. Juli beschloss die Volkskammer die Wiedereinführung der 1952 abgeschafften Länder. Die Landtagswahlen wurden auf den 14. Oktober festgelegt. Die neuen Bundesländer heißen: Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Mit dem Ablauf des 2. Oktober endete die Existenz der DDR – um 0 Uhr des 3. Oktober begann die neue Bundesrepublik.
Am 20. Dezember trat im Berliner Reichstag der erste gesamtdeutsche Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Mit überwältigender Mehrheit wurde Rita Süssmuth (CDU) erneut zur Bundestagspräsidentin gewählt.

Quelle: Eigene Aufzeichnungen – Bild: Ost-Mark und West-Mark © Thomas Schuster Heiligenstadt