Aus dem Archiv: Burg Scharfenstein
„Zu den wenigen alten Schlössern des Eichsfeldes, welche noch heutigen Tages bewohnt werden, gehört auch der altehrwürdige Scharfenstein, welcher, auf einem bewaldeten Borsprunge des Düngebirges gelegen, über die Wipfel alter Bäume hervorragt. Von seinem früheren Glanze hat derselbe nichts mehr aufzuweisen. Seine Mauern und Zinnen sind vielfach vom Zahn der Jahrhunderte zernagt, und nur mit Wehmut schaut man aus seinen Fenstern hinab in das schillernde Tal der Leine, auf das alte Kloster Beuern und das Rittergut gleichen Namens, welches sich schon seit alter Zeit im Besitz der Familie von Hanstein befand.
Aber auch weiter schweift der Blick in östlicher Richtung hinweg über das mit freundlichen Dörfern besäte Tal zwischen dem Dün und dem Ohmberge, auf welchem das Schloß Bodenstein besonders deutlich bemerkt wird. In weiter Ferne zeigen sich die Höhen, auf welchen die spärlichen Ruinen der Harburg und der Hasenburg befindlich, und über dieselben hinweg erhebt sich die lange Kette des Harzgebirges, aus dem der höchste Berg Norddeutschlands, der sagenhafte Brocken, majestätisch emporsteigt.
Über dem Eingangstore der einstigen Feste erblicken wir mit der Jahreszahl 1587 das Mainzische Rad, woraus zu erkennen, daß dieselbe damals Eigentum des Kurfürsten von Mainz gewesen ist. Die älteste Urkunde über die Feste stammt aus dem Jahre 1209, in welcher ein Theodericus de Scharpenstein erwähnt wird. Zu welcher Zeit das Schloß erbaut worden, ist nicht bekannt, aber bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts soll es Eigentum der Grafen von Gleichen-Tonna gewesen sein. Wie aus einer Urkunde vom 28. April 1290 hervorgeht, war damals der Ritter Hugo, dictus de Marchia, als castellanus (Burgmann) auf dem Scharfenstein und ist dies derselbe Hugo von der Mark, welcher in dieser Urkunde auf alle Rechte an den halben Zehnten verzichtete, welche Conradus, dictus de Indagine, miles, an die Kirchen zu Heiligenstadt und Teistungenburg verkaufte.
Beide aber, die de Indagine und die de Marchia, von der Mark, zum Geschlechte der späteren von Westernhagen gehörig, waren aus einem Stamme entsprossen. Später, in der Mitte des 15. Jahrhunderts, sehen wir die von Wintzingerode als Pfandinhaber des Schlosses und waren diese auch während des Bauernkrieges im Besitze desselben. Als es dann im Jahre 1582 aus der Pfandschaft der von Wintzingerode wieder eingelöst war, wurde das Schloß Sitz eines Mainzer Vogtes. Eine große Anzahl von Urkunden aus dem 16. Jahrhundert über beschworene Urfehden sind auf dem Scharfenstein ausgestellt. Als Bürgen oder Zeugen bei solchen Gelegenheiten fungieren vielfach die von Westernhagen.“
Quelle: Max von Westernhagen: „Geschichte der Familie von Westernhagen auf dem Eichsfelde“ – 1909 (Reprint 2003) – Bild: Burg Scharfenstein 2023 © Thomas Schuster Heiligenstadt