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Aus dem Archiv: Über 31 Orte reicht weit der Blick
Heiligenstadt im Eichsfeld
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Thüringen · Samstag 09 Nov 2024 ·  2:15
Tags: MühlhausenRabenturm
„Der bereits erwähnte Rabenturm am Mühlhäuser inneren Frauentor nannte sich früher auch Adlerturm. Nach einer alten Episode soll 1802 ein preußischer Scharfschütze den Kopf eines am Turm angebrachten habsburg-österreichischen Adlers, vom Hohen Graben aus, abgeschossen haben. In Wirklichkeit ist er aber abgebogen oder abgefeilt worden.

Dieser, unter allen Wartetürmen der erhabenste, ist im Zuge der inneren Stadtbefestigung im 14. Jahrhundert entstanden. Es war der wichtigste Beobachtungspunkt im Wehrsystem der gewaltigen Stadtmauer und hatte das Frauentor, die Straße und die Mauer zu sichern und zu decken. Ebenfalls waren Graben und Wall bis zum Hospitalturm zu inspizieren.

Eine Sage spricht auch von einem höheren Alter des Rabenturms und verlegt seine Errichtung in das Jahr 1293. Ursprünglich war nach der Stadtseite zu der Turm bis an das Gesims mit einer spitzbogenförmigen Öffnung versehen. Auf Leitern kletterten die Wachhabenden bei Alarm hoch, um vom Wehrgang aus zu verteidigen.

In einer Chronikaufzeichnung von 1643 heißt es: „Der Kommandant der Schweden mit Sitz in Erfurt legte einen Kapitän mit einer Kompanie Infanterie in die Stadt, um Soldaten zu werben. Weil sich aber nicht viel rekrutieren ließen, wurde eine List angewandt. Man warf Geld auf die Straße. Wenn nun jemand kam und es aufhob, so sagten die Werber, er hätte Handgeld genommen und sich damit verpflichtet, Soldat zu werden. Wer sich trotzdem noch weigerte, wurde in den Rabenturm gesperrt, wo er solange bei Wasser und Brot gehalten wurde, bis er willig geworden war.“ Beim großen Brand 1649 in der Holzgasse, an deren Ecke der Rabenturm steht, brannte der Turm innen völlig aus. An der verrußten Innenwand der Dachpyramide waren die Brandspuren noch lange zu sehen. Übrigens fiel diesem Brand in der Holzgasse sämtliches Urkundenmaterial des Klosters Zell'schen Freihofes zum Opfer, der mit abbrannte.

Viele bedeutsame Geschichtsdokumente wurden damals vernichtet, die heute der Regionalgeschichtsforschung fehlen. Beim Wiederaufbau des Rabenturmes erhielt das steinerne Dach eine Schieferbedeckung und einen Knopf, in den man eine Pergamenturkunde einlegte. Auch wurde die offene Turmseite zugebaut, und so konnte eine Türmerwohnung geschaffen werden. Dieser hatte über die Feuersicherheit zu wachen. In der Umgebung sind 31 Orte vom Rabenturm aus einzusehen. Heute wird der Rabenturm - ein Wahrzeichen Mühlhausens - bei festlichen Anlässen mit Scheinwerfern bestrahlt. An seiner Außenseite - vom Blobach aus gesehen - steht das Denkmal des Bauernführers Thomas Müntzer, dessen Namen heute auch die ehedem freie Reichsstadt trägt.“

Quelle: Thüringer Tageblatt vom 18.5.84, H. – Bild: Stadtmauer mit Rabenturm und Münzer-Denkmal 2022 © Thomas Schuster Heiligenstadt


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