Aus dem Archiv: Schloß Bodungen
„Auf der Grenze zwischen dem Eichsfelde und der alten Grafschaft Honstein im jezigen Kreise Worbis liegt der alte Marktflecken Großbodungen in einem rings von waldigen Höhen umkränzten Tale, auf welches die sagenhafte, kaum 4 Kilometer entfernte „Hasenburg“ und das Ohmgebirge traulich herabschauen. Wie alle Ortschaften, welche auf „ungen“ endigen, ist dieser Ort sehr alt. Schon bei Beginn des Mittelalters finden wir dort die Herren von Bodungen, von welchen auch angenommen wird, daß sie das alte Schloß Bodungen erbaut haben. Großbodungen wird daher auch als Stammort der Familie Bodungen bezeichnet. Ursprünglich gehörte er zur Grafschaft Lohra, deren altes Stammschloß südlich von Bleicherode gelegen war. Bereits 1259 wird urkundlich ein Burchard von Bodungen genannt, als dieser dem Kloster Reifenstein 7 Hufen Landes schenkte.
In alter Zeit war Großbodungen mit einem sogenannten Knick oder Landgraben umgeben, welcher sich alsdann zwischen dem nahen Wernigerode und Hauröden hindurch über Limlingerode bis zum Städtchen Sachsa am Harze hinzog. Da, wo der Knick an Höhen vorbeiführte, waren diese mit Warten bebaut, deren eine bei Sachsa, eine andere bei Limlingerode, eine dritte zwischen Werningerode und Bodungen und die vierte dicht bei Bodungen auf dem Warteberge lag. Offenbar hat der noch an einigen Stellen zu erkennende Knick oder Landgraben zur Verteidigung des Ortes gedient; den Hauptverteidigungspunkt aber bildete das Schloß selbst, welches am südlichen Ende des Dorfes liegt. Es ist ein jetzt ziemlich verfallenes Bauwerk, welches dem Zahn der Zeit Jahrhunderte hindurch getrotzt hat. Das Schloß scheint zu verschiedenen Malen restauriert worden zu sein; wenigstens deuten mehrere Inschriften, welche sich über der einzigen Eingangspforte unter einem etwa 120 Fuß hohen Turme befinden, darauf hin. Aus einem kleinen, dunklen Schloßhofe gelangt man in das Innere des alten Burgverlieses, woselbst das jetzt größtenteils vermauerte Gefängnis noch zu erkennen ist.
Mit Schutt und Geröll bedeckte, baufällige Treppen führen aufwärts und zeigen uns eine große Anzahl Gemächer, in welchen noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Gerichtssitzungen abgehalten wurden und welche jetzt öde und leer stehen. Von dem nur schwer auf morschen Treppen und Leitern zu ersteigenden Turme genießt man, obwohl das Schloß im Tale liegt, einen hübschen Blick auf Bodungen und die umliegende Gegend. Außer dem Schlosse befindet sich in Großbodungen noch eine Kemenate, ein stattliches, mit einem Türmchen versehenes Gebäude, welches jedenfalls auch zur Verteidigung gedient hat. Über dem Eingangstore zu demselben ist in Stein gehauen das Wappen des Grafen von Lohra mit einer Inschrift darunter zu sehen.
Im Anfange des 15. Jahrhunderts kaufte der damalige Besitzer des Schlosses, Thile von Bodungen, Güter in Kirchberg, Kefferhausen und Dingelstedt, über welche der Kurfürst Johann am 26. Dezember 1417 Konsens und Lehnsbrief erteilte. Seit dieser Zeit finden wir die von Bodungen nicht mehr auf dem alten Stammsitze ihrer Vorfahren und Ahnen.
Zur Belohnung für dem Erzstifte Mainz geleistete Dienste wurde Heinrich von Bodungen um das Jahr 1464 nach dem Tode des letzten von Kirchberg mit drei Burglehen auf dem nahe bei Martinfelde gelegenen Schlosse Gleichenstein begabt, und da auch Wetzel Wolf seine in und bei Martinfelde belegenen Besitzungen an die von Bodungen verkaufte, wurde dieser Ort Hauptsitz der Familie. Noch heutigen Tages befindet sich ein Rittergut in diesem Orte im Besitze der von Bodungen, welche, als eines der ältesten Adelsgeschlechter des Eichsfeldes, mit der Geschichte desselben eng zusammenhängen.“
Quelle: Max von Westernhagen: „Geschichte der Familie von Westernhagen auf dem Eichsfelde“ – 1909 (Reprint 2003) – Bild: Schloss Großbodungen 2019 © Thomas Schuster Heiligenstadt