Aus dem Archiv: Mütterlicher Brief an eine, die sich vor Weihnachten fürchtet
„Du bist nicht die Einzige, liebes Herz. Zu Weihnachten werden die Lücken in Herz und Haus - die wunden Stellen im Herzen - besonders fühlbar. Meine Mutter weinte einmal, als ihr das Herz sehr schwer war, bei dem Anblick der ersten Christbäume. All das Freuen, Lieder und goldene Sterne, tun dem wunden Herzen weh. Da sagen manche: „Ich will von Weihnachten nichts hören. Ich will am liebsten gar nicht an Weihnachten denken.“
Ich aber möchte dir sagen: „Komm mit und dringe durch all den äußeren Goldschmuck bis an das Herz von Weihnachten.“ Das wahre, innerste Weihnachten können auch die Traurigsten und Ärmsten feiern. Gerade diese erst recht. Der als ein Kindlein kam, um alle schweren Wege der Menschen mitzugehen, hat gesagt: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.
Du brauchst nicht mit Jubelliedern an die Krippe zu treten. Du darfst auch mit Tränen kommen. Auch diese versteht der Heiland, der selbst über das Menschenelend geweint hat. Den äußeren Festschmuck haben nur die Menschen um das Weihnachtsfest gebaut. Man kann auch ohne das ein volles, reiches Weihnachten feiern. Das innerste Weihnachten geht nur die Seele an, die wunde Seele am meisten. Also hat Gott die Welt geliebt - Christ, der Retter ist da!
Das ärmste Weihnachten kann zum reichsten Weihnachten werden. Die wunde Seele versteht am besten, was Jesus will. Die Macht des Erdenleids empfängt durch das Kommen des Heilands die Weihe. Die Macht des Erdenleids wird zur Christnacht. Niemals sind Himmel und Erde enger verbunden als zu Weihnachten. Der Heiland ist die Brücke. Darum ist sein Kommen auch ein so großes Geschenk für die, welche ihre Liebsten schon da oben haben. Alle Seligen feiern mit. Mit ihnen stehen wir an der Krippe und danken dem Himmel und Erde verbindenden Jesuskind."
Quelle: Glaube und Heimat 12/1932, J.M.v.K. - Bild: Krippe der Kirche auf dem Hülfensberg © Thomas Schuster Heiligenstadt