Aus dem Archiv: Heinrich Kellner (1783 — 1870) reformierte Schulwesen
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Eichsfeld · Mittwoch 09 Apr 2025 · 3:15
Tags: Heinrich, Kellner
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"Der 240. Geburtstag Johann Heinrich Pestalozzis am 12. Januar gibt Anlaß, auch eines Eichsfelders zu gedenken, der im Sinne des bedeutenden bürgerlichen Pädagogen das stark vernachlässigte Volksschulwesen auf dem Eichsfeld veränderte. Heinrich Kellner, Rektor der Bürgerschule und erster Seminardirektor des Heiligenstädter Lehrerseminars, der seine pädagogische Ausbildung bei Pestalozzi vervollkommnete, bemühte sich mit Erfolg, die pädagogischen Grundsätze seines Lehrmeisters auf dem Eichsfeld durchzusetzen.
Am 16. Januar 1783 in Kalteneber im Kreis Heiligenstadt als Sohn eines Schulmeisters geboren, wurde Heinrich Kellner von seinem Vater auf den Besuch des Heiligenstädter Gymnasiums vorbereitet. Während seiner Gymnasialzeit befaßte er sich mit Pestalozzis Schrift „Lienhard und Gertrud“. Dabei reifte in ihm der Gedanke, sein Wissen bei Pestalozzi zu erweitern. Dieser Plan scheiterte aber an fehlenden finanziellen Mitteln. So wurde er Lehrer an einer Privatschule in Heiligenstadt, und mit 26 Jahren verdingte er sich als Konsumtionssteuereinnehmer in Holzminden. Bald war ihm aber diese Tätigkeit zuwider.
Er kehrte nach Heiligenstadt zurück und bereitete, unterstützt von seinem väterlichen Freund, dem Gymnasialdirektor Professor Lingemann, seine Reise zu Pestalozzi vor. Nach einer 14tägigen Fußwanderung kam er in lfferten in der Schweiz an und erwarb sich sehr schnell das Vertrauen von Pestalozzi. Nach seinem Aufenthalt in Ifferten kehrte er, begeistert von den pädagogischen Ansichten des großen Meisters, auf das Eichsfeld zurück und erhielt bald eine Berufung an die Domschule nach Nordhausen. Aber bereits nach drei Jahren holte man Kellner nach Heiligenstadt zurück und betraute ihn mit der Leitung der Mädchen- und Knabenschule in der Eichsfeldmetropole. Gemeinsam mit Professor Lingemann entwickelte Kellner eine rastlose Tätigkeit zur Verbesserung des Volksschulwesens. Im Mittelpunkt stand dabei die Ausbildung und Weiterbildung von Lehrern. Durch die Einführung von Lehrerkonferenzen bemühte er sich besonders, den meist allein gelassenen Landschullehrern, eine Fortbildungsmöglichkeit zu schaffen. Kellners Bemühungen, die Ausbildung der Lehrer zu verbessern, führte 1836 zur Errichtung eines Lehrerseminars in Heiligenstadt. In Anerkennung seiner Verdienste um das Volksschulwesen und die Durchsetzung der pädagogischen Lehren Pestalozzis wurde Heinrich Kellner mit der Leitung des Seminars betraut, sein Sohn Lorenz hielt die Berufung als Seminarlehrer Anerkennung und großes Lob aus Kreisen der Pädagogen blieben nicht aus, ebenso die Kritik der reaktionären preußischen Schulbehörde, die die Ziele des Seminars „… unvereinbar mit der bescheidenen Stellung zukünftiger Volksschullehrer“ betrachtete.
Um die gesellschaftliche Stellung der Lehrer zu heben und deren Zusammenschluss zu fördern, führte Heinrich Kellner die jährlichen Lehrerfeste ein. Diese fanden bei der Schulmeisterbuche in der Nähe der Burg Scharfenstein statt. Die preußische Regierung verbot 1845 die Eichsfelder Lehrerfeste und versuchte somit die Reformbestrebungen des Schulwesens auf dem Eichsfeld einzuschränken. Kellners Bemühungen richteten sich aber nicht nur auf die Aus- und Weiterbildung der Lehrer und auf die Entwicklung der Bürgerschule, die sich unter seiner Leitung zu einer vierklassigen Schule entwickelte, in der das Prinzip der engen Verbundenheit von Elternhaus und Schule praktiziert und 1835 der Turn- und Schwimmunterricht eingeführt wurde. Auch die heutige Berufsschule hat ihren Ursprung in der von Heinrich Kellner am 1. Oktober 1829 gegründeten Sonntagszeichenschule, in der Lehrlinge und Gesellen einen berufsbezogenen Unterricht erhielten. Heinrich Kellner, der am 29. Januar 1870 im Alter von 97 Jahren starb, kommt zweifellos das Verdienst zu, das Volksschulwesen auf dem Eichsfeld reformiert zu haben. Eine umfassende Würdigung seines Lebenswerkes ist bisher unterblieben. Immer stand er im Schatten seines Sohnes Dr. Lorenz Kellner, des wohl bedeutendsten katholischen Pädagogen des vergangenen Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum.

Quelle: Thüringer Tageblatt vom 8.10.1986, Oberlehrer Dipl. Hdl. (Diplomhandelslehrer) Gröger – Bild: Kellners Geburtshaus in Kalteneber