Aus dem Archiv: Die beiden Burgen zu Rüdigershagen
oder: Die beiden Burgen zum Heinichen unter dem Düne.
„So nennt diese alten ehemaligen festen Schlösser derer von
Hagen oder von Hain die Chronik von Mühlhausen, aus welcher in seiner
Abhandlung vom Jahre 1900 der Professor Dr. Jordan das Nachstehende berichtet.
In der Chronik heißt es:
„Vor diessen zeit waren twey feste Schlosse zum Heinichen,
eines bober, eins unter dem Dorff, darauf die geuettern (Vettern) vom Heine
wonten, auch waren die auf der ober burgk denen von Mulhausen entgegen, die
andern aber hielten es mit inen, vndt bothen sie auf ein Zeit, nemblich im Jahr
1313 zue Kirmeß mit dem Landtgrauen (Landgrafen) vndt den Grauen von
Schwarßburgk vndt den zwelff Conservatoren des friedens in Duringen
(Thüringen), vnd dießen Allen thaten sie beistandt, das die Oberburgk belagert,
erobert, zerrissen vndt ire Vettern gefangen wurden, welche auch solche, nimmer
zu rechnen denen von Mulhausen ire briffe geben musten, wie oben bei demselben
Jahre angezeiget“ -
„Im Jahre 1340 wurden die vom Heine auf der vnter burgk zum
Heinichen auch der von Mulhausen feinde. Da zogen die von Mulhausen daruor,
belagerten vndt eroberten das Hauß, zerbrachen's vndt machten einen entlichen
Vertrag mit allen denen vom Heine, das sie nimmer ire feinde werden solten;
gaben dem Rathe dessen ihre briffe, …“
„… Vndt von dissen Heinen seindt die zu Dhuna, Alten-guttern
vndt Quedlinburg; das sie aber gant veigte (verschiedene) wapen füren, sagen
sie, sey disse vrsache, das vorzeitten einer vom Heine ein weib gehabt, welche
die letzte in irem geschlechte gewesen, die habe ahn iren todtbette von irem
manne erbeten, das ehr ir wapen ahnneme vndt seines fallen laßen wolte, darmit
es nicht verginge, welches ehr also gethan. Ob nun das mit dem fischangel oder
das mit der schere älter, ist vngewiß vndt welches vnter den beiden das rechte
sey er vom Heine.
Der vorzügliche Kenner und Forscher der eichsfeldischen
Geschichte, Levin Freiherr von Winkzingerode-Knorr sagt in dem von ihm
bearbeiteten Werke: „Die Wüstungen des
Eichsfeldes“ herausgegeben von der Historischen Kommission für die Provinz
Sachsen im Jahre 1903 über Rüdigershagen das Folgende: Das jetzige Dorf
Rüdigershagen, Kreis Worbis, in oder bei welchem man ein castrum Superius und
ein castrum inferius in indagine unterschied, und für welches sich der Name Rüdigershagen
oder Rüdigershain zwar schon in den Pfandverträgen findet, welche Herzog
Heinrich von Braunschweig 1342, Februar 20. mit dem Erzbischofe Heinrich III.,
später auch mit Gerlach von Mainz zu Duderstadt und Amenenberg schloß, aber
erst vom 17. Jahrhundert an allgemein gebräuchlich wird. Ganz vergessen ist der
Name „Hagen“ noch heute nicht. Noch immer wird vom Landvolke unter „Hagen“
Rüdigershagen verstanden.
Von den beiden Burgen am Orte, welche sich anfänglich wohl
im Besitze des Reiches, später der Welfen befanden und in der Lokalgeschichte
eine nicht ungewöhnliche Rolle spielen, ist die eine, das „castrum superius“
vollständig verschwunden, so daß der Platz, welchen es einnahm, nicht mit
Sicherheit zu bestimmen ist. Die Einen behaupten, das castrum habe auf einem im
Südosten des Dorfes sehr steil nach diesem abfallenden, jetzt mit Fichten
bestandenen Vorsprunge des Dün gelegen, an dessen Fuß sich das Dorf anlehnt,
während andere das Schloß in dem kleinen bis hart an die Häuser des Dorfes
zwischen diesem und der in ausgedehnten Schlangenlinien den Berg
hinaufgeführten chaussierten Straße nach Mühlhausen liegenden Wäldchen und auf
dem an dieses stoßenden Dorfangers suchen.
Der Bearbeiter hält die letztere Ansicht für die richtigere,
da nur dann, wenn das Oberschloß an dem letztgedachten Platze lag, eine
zweckmäßige Verbindung beider Schlösser möglich war. An die Stelle des unteren
Schlosses ist das jetzige Rittergut getreten, in dessen fast bis an den Anger
reichenden Garten noch die Trümmer eines runden Turmes - vielleicht des
ehemaligen Bergfriedes - sich befinden, durch welchen eine Verbindung mit dem
Oberschloß möglich war.
Auf beiden Schlössern saßen lange Jahre Mitglieder des
weitverzweigten Reichsministerialengeschlechtes de Indagine als kaiserliche
Lehnsleute oder als Vasallen oder als Pfandbesitzer, dessen Mitglieder sich
auch unter den Burgmännern des kaiserlichen Schlosses bei der Reichsstadt
Mühlhausen finden. Dieses Geschlecht, dessen Wappen einen oder auch zwei
Angelhaken - gleich dem der Ryme, Minnigerode – zeigt, befindet sich bis zum
Ende des 14. Jahrhunderts im Besitze des Dorfes und zeitweise beider Schlösser,
während neben ihm noch Mitglieder eines anderen Geschlechtes de Indagine,
vielleicht als Burgmänner der unteren Burg, auftreten, welche in ihrem Wappen
einen springenden Leoparden führen und jedenfalls die Vorfahren der später „von
Westernhagen“ genannten Personen sind.
Vom 15. Jahrhundert an wird als Besitzer von Rüdigershagen
ein drittes Geschlecht von Hagen genannt, deren Nachkommen noch heute in diesem
Besitze sind. Dieses Geschlecht führt eine Schafschere im Wappen, gleich den
dapiteri de Slatheim und den von Marschall.
Die Streitigkeiten, in welche die Stadt Mühlhausen wegen der
um das Jahr 1256 erfolgten Zerstörung der kaiserlichen Burg daselbst,
beziehungsweise der Sitze der in der Burg wohnenden kaiserlichen Ministerialen,
mit den letzteren und so auch mit den de Indagine geriet, zogen die Zerstörung
des castrum Superius in indagine nach sich.
In der Mühlhäuser Chronik heißt es hierüber: „Nach der Zerstörung der Burg bei Mühlhausen
(Hainerburg) verkauften einige der Ganerben ihre Burgsitze an die Stadt; die
von Hagen jedoch zogen sich grollend auf ihre Besitzungen im Eichsfelde, auf
die Schlösser zu Rüdigershagen zurück und setzten von hier aus die Fehden gegen
die Mühlhäuser fort.“
Quelle: Max
von Westernhagen: „Geschichte der Familie von Westernhagen auf dem Eichsfelde“
– 1909 (Reprint 2003) – Bild: Rittergut Rüdigershagen um 1910 – hier stand der
Unterwall (bearbeitet) © Thomas Schuster Heiligenstadt