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Aus dem Archiv: Der Rusteberg
Heiligenstadt im Eichsfeld
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Eichsfeld · Sonntag 21 Jul 2024
Tags: Rusteberg
„Wenn man auf der Eisenbahnlinie Nordhausen - Kassel die Kreisstadt Heiligenstadt passiert hat, sieht man dicht vor der Haltestelle Ahrenshausen einen isolierten Bergkegel aus dem Hügellande emporsteigen, welcher mit den Trümmern einer Feste gekrönt ist.

Es ist dies die einstige feste Burg Rusteberg, von welcher nur noch wenig erhalten geblieben ist. Von ihren Zinnen genießt man eine herrliche weite Aussicht nach allen Seiten. Im Norden zeigen sich die Überreste der beiden Gleichen bei Göttingen; darüber weiter rechts hinausragend hebt sich das in blauen Nebeldunst gehüllte Massengebirge des Brockens vom Horizonte ab. Südlich fesselt den Blick die Ruine des altehrwürdigen „alten Hanstein“. Östlich über die Türme und Dächer der alten Stadt Heiligenstadt hinweg erfreuen Hunderte von Dörfern zwischen grünbelaubten Hügeln das Auge des stillen Beschauers.

Über die Entstehung der Burg ist nichts bekannt und ein Band von Sagen hat sich um dieselbe gewoben. Am wahrscheinlichsten ist, daß der Rusteberg zu Otto I. Zeiten bereits eine kaiserliche Burg, wenn auch nur eine Art Wallburg, gewesen und auch später geblieben ist, bis Kaiser Heinrich V. die Feste dem Erzbischof Adalbert I. von Mainz gab. Es würde dies mit der Zeit zusammenfallen, in welcher nach Überlieferungen alter Schriftsteller die Stammburg des Geschlechtes von Westernhagen bei Berlingerode durch Tilo de Indagine mit besonderer Genehmigung des Erzbischofs Adalbert um das Jahr 1125 erbaut worden sein soll.

Erst unter der Regierung dieses Erzbischofs, welcher von 1111 bis 1137 den Erzbischöflichen Stuhl innehatte, scheinen die bis dahin noch dürftigen Befestigungen des Rustebergs zu einem festen Schlosse umgeschaffen worden zu sein. Bereits sein Vorgänger Siegfried hatte das Bestreben gezeigt, vom Thüringer Lande einen Zehnten zu erheben. Er, sowohl wie auch Adalbert, stießen hierbei auf mächtigen Widerstand. Dies scheint Adalbert Veranlassung gegeben zu haben, in dem Rusteberg sich einen Stützpunkt und eine Zwingburg zu schaffen, von welcher aus er die Thüringer mit Gewalt zur Entrichtung des Zehnten anhalten konnte.
Die erste bestimmte Nachricht über den Rusteberg stammt aus dem Jahre 1123 und erst von dieser Zeit ab nimmt derselbe eine so bedeutende Stellung für die Geschichte des Eichsfeldes ein. Seit dieser Zeit weilten die Erzbischöfe von Mainz Adalbert I. und II., aber auch deren Nachfolger häufig auf dem Rusteberge.

Bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts finden wir in Eichsfeldischen, Göttingschen und Hessischen Urkunden vielfach die Ritter von Rusteberg als Burgmänner auf dem festen Schlosse. In der späteren Zeit war es ununterbrochen der Sitz der Vizedome der Kurfürsten von Mainz, unter welchen die von Hanstein als erbliche vicedomini besonders hervorragen und auch häufig Vicedome de Rusteberg genannt werden.

In der kaiserlosen Zeit des Interregnums waren die vicedomini de Rusteberg fast völlig selbständig und von dem Erzbischofe unabhängig geworden und hatten eine bedeutende Macht erlangt, was eine große Gefahr für das Erzstift in sich schloß. Wie wir aus der Urkunde von 1258 ersehen (vergleiche urkundliche Geschichte der von Westernhagen), sah sich der Erzbischof Gerhard I. daher genötigt, mit den Vizedomen Heidenricus und Heinricus de Rusteberc einen besonderen Vertrag über die castra Rusteberc und Hanstein abzuschließen, wobei als Zeugen und Bürgen eine Anzahl Ritter genannt werden, so auch die Gebrüder Cunradus et Hermannus de Indagine, welche zur Beglaubigung das jetzige von Westernhagensche Schild und Helmsiegel an die Urkunde anhingen. Erst seit dieser Zeit ist das Westernhagensche Wappen bekannt geworden.

Im Jahre 1323 verkauften die von Hanstein infolge von Streitigkeiten untereinander ihr lange Zeit innegehabtes Vizedominat und von dieser Zeit ab wurde dasselbe von einer großen Anzahl anderer Rittergeschlechter ausgeübt, so von den von Hardenberg, von Worbis, von Wintzingerode, von Bültzingsleben, von Bodenhausen, von Uslar, von Hanstein, von Minnigerode und anderen. Diese nannten sich aber vielfach nicht vicedome, sondern officiales, Vögte, Amtleute; und namentlich letzterer Ausdruck war in der späteren Zeit gebräuchlich.

Bei den vielfach wechselnden Geschicken der von Westernhagen in den verschiedenen weltgeschichtlichen Zeitepochen, wie zum Beispiel dem Bauernkriege, der Reformation und Gegenreformation auf dem Eichsfelde, dem Dreißigjährigen und Siebenjährigen Kriege, sind die von Westernhagen in ununterbrochener Verbindung mit dem Landesfürsten und seinen Beamten geblieben; um so mehr, als sie sich in hohem Maße des Wohlwollens und der Huld der Kurfürsten von Mainz zu erfreuen hatten und von diesen eine große Anzahl von Gütern, Zehnten, Vogteien und anderen Gerechtsamen zu Lehen trugen.

Das jetzige, erst gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts erbaute Mainzer Amthaus steht am Ostfuße jenes Bergkegels, welcher einst das jetzt verfallene Schloß Rusteberg nebst seinen ausgedehnten Befestigungen trug. Seitdem das Eichsfeld infolge des Luneviller Friedens an Preußen gelangt ist, haben die Besitzer des Schlosses mehrfach gewechselt. Bald nach dem Jahre 1815 gelangte es in den Besitz des preußischen Regierungspräsidenten zu Erfurt, des Herrn Grafen von Keller. Die Erben desselben veräußerten den Rusteberg mit seinen Zubehörungen einige Jahre später an den Appellationsgerichtspräsidenten von Kaisenberg zu Halberstadt. Nachdem er hierauf an einen Herrn Goltermann aus Hannover und dann an einen Herrn Gundlach übergegangen war, erwarb das Amthaus mit dem Schloßberge und den dazu gehörigen Äckern der Herr Major a. D. von Alvensleben, welcher sich noch heute im Besit der Liegenschaften befindet. Aus den jetzt noch auf dem Berge sichtbaren dürftigen Mauerresten und Steinbrocken läßt sich kein genaues Bild mehr davon machen, wie das einst mächtige Schloß Rusteberg ausgesehen hat. Eine Zeichnung vom Pastor Fluck aus Uder, im 17. Jahrhundert entworfen, ist aber erhalten geblieben.“

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Quelle: Max von Westernhagen: „Geschichte der Familie von Westernhagen auf dem Eichsfelde“ – 1909 (Reprint 2003) – Bild: Kapelle im Jahre 2007 © Thomas Schuster Heiligenstadt


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