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Aus dem Archiv: Der Kalvinismus. Die Gegenreformation
Heiligenstadt im Eichsfeld
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Zeitgeschehen · Donnerstag 21 Nov 2024 ·  3:00
Tags: KalvinismusCalvinGegenreformation
"Die kirchliche Reformation breitete sich nicht nur in Deutschland aus. Sie drang in den anderen in England, in Schottland, in die skandinavischen Staaten (Schweden, Dänemark und Norwegen), in die Niederlande und in die Schweiz ein. Nicht überall war das Bürgertum so unterwürfig und feige wie in Deutschland. Sehr entschieden stellte es seine Forderungen in der Schweiz auf. Dort gab es viele Stadtrepubliken, in denen sich die Macht in der Hand des Bürgertums befand und wo dieses die Reformation nach seinem Wunsch durchführen konnte.

Den klarsten Ausdruck erhielt die bürgerliche Reformation in der Lehre Kalvins (1509-1564), der in Genf lebte und predigte. Die Kalvinisten glaubten, daß es Gotterwählte gäbe, denen Gott Reichtum im irdischen Leben und das Paradies im Jenseits verleihe, während er die übrigen zur Armut auf Erden und ewigen Qualen nach dem Tode verurteile.

Die Kalvinisten hielten den Reichtum für einen Ausdruck „göttlicher Gnade“ und die Reichen für „Gotterwählte“. Sie hielten daher die grausamste Ausbeutung der Armen für gottgefällig und rechtfertigten die Sklaverei in den Kolonien als „göttliche Einrichtung“. Die Haupttugend war für sie die Sparsamkeit. Alles, was nicht zur Akkumulation führte, betrachteten sie als sündhaft. Sie lehnten heitere Spiele, die Dichtkunst und die Kunst überhaupt ab; besonders verfolgten sie das Theater. Geiz, Strenge, Hartherzigkeit und das Fehlen jeder Duldsamkeit und Milde gegenüber den Mitmenschen hielten sie für die wesentlichsten Vorzüge jener, die „von Gott erwählt waren“. Das war die Religion der kapitalistischen Akkumulation, die Religion der im Entstehen begriffenen Klasse der Kapitalisten.

Kalvin gab seiner Kirche eine republikanische Organisation, die für die Herrschaft des Bürgertums sehr günstig war. Die Leitung der kalvinistischen Kirche baute sich wie folgt auf: An der Spitze einer jeden Kirchengemeinde standen die Prediger und Ältesten (Presbyter), weshalb die kalvinistische Kirche mitunter auch die „presbyterianische“ genannt wurde. Den größten Einfluß in der kalvinistischen Gemeinde hatten die Ältesten; in der Regel wurden reiche und angesehene Männer dazu gewählt. Daher geriet die kalvinistische Kirche von Anfang an in die Hände der wohlhabenden Bürger.

Zur Beratung der gemeinsamen Angelegenheiten versammelten sich Vertreter der Kirchengemeinden zu Synoden. Die Kalvinisten betrieben eine aktive Propaganda in ganz Westeuropa. In Genf wurde eine Akademie zur Ausbildung kalvinistischer Prediger verschiedener Nationalität gegründet.

Der Kalvinismus wurde der Glaube des fortschrittlichsten und aktivsten Teiles des europäischen Bürgertums. Die Reformation spaltete die westliche Kirche. Vom Katholizismus hatten sich ganze Länder abgewandt, der größte Teil Deutschlands und der Schweiz, England, Schottland und die skandinavischen Länder. Auch in jenen Ländern, deren Regierung katholisch blieb, verbreiteten sich die Lehren der Reformation. Aber noch war der Katholizismus sehr stark. Die deutschen Kaiser, die Habsburger, und ein Teil der deutschen Fürsten waren Katholiken. Der Katholizismus herrschte in Spanien, wo die Inquisition im Dienst der Könige stand, in Frankreich, wo sich der König mit dem Papst die Kircheneinkünfte teilte, und in Italien.

Die Katholiken erkannten die ihnen drohende Gefahr und nahmen entschlossen den Kampf gegen die Reformation auf. Diese Bewegung heißt „katholische Reaktion“ oder „Gegenreformation“.

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Quelle: Lehrbuch „Geschichte des Mittelalters“ 1950
Dieser Übersetzung liegt die 1950 erschienene 2. Auflage des neubearbeiteten russischen Originals zugrunde, das in der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) als Lehrbuch für die 6. und 7. Klasse der Mittelschule dient.  DIESER ÜBERSETZUNG ABGESCHLOSSEN NOVEMBER 1950 – Bild: Johannes Calvin


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