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Aus dem Archiv: Brautwerber mußten dreimal äußere Ringmauer umreiten
Heiligenstadt im Eichsfeld
Veröffentlicht von Thomas Schuster in Thüringen · Dienstag 22 Okt 2024 ·  4:15
Tags: LohreFriedrichlohraBurg
"Wenn ich manchmal an stillen Sommerabenden auf der alten Burg Lohra an der Hainleite verweile, klingen Sagen und Mythen aus längst vergangenen Tagen an mein Ohr. Auf dem steilen Burgstieg von Großwenden her wird es lebendig, ich höre wie die Pferde keuchen unter der Last ihrer gepanzerten Reiter, höre das Quietschen und Knarren der Planwagen und die antreibenden Rufe ihrer Führer.

Noch heute bekommt jeder Besucher der Burg von ihrer treuen Hüterin Frau Döring einen Stein gezeigt, in den drei Kreuze eingehauen sind. Und eine Sage wird erzählt, die Sage von der Gräfin Adelheid, der sagenumwobensten Person der alten Grafschaft. Hören wir zu:

„Als ihr Vater in einem Kampf gegen die Mühlhäuser gefallen war, schwor sie, sich nicht zu vermählen. Bald fielen die beutegierigen Nachbarn in die Grafschaft ein, eroberten, raubten und bedrängten die Einwohner sehr. In ihrer höchsten Not wandten sich die Untertanen an ihre Herrin Adelheid und baten sie eindringlichst, einen Gatten zu wählen. Sie wies auf ihren Eid hin. Da erschien ihr der Geist ihres verstorbenen Vaters und entband sie von ihrem Schwur. Sie erklärte sich zu einer Heirat bereit, stellte aber die Bedingung, daß ihre Bewerber dreimal die äußere Ringmauer umreiten mußten. Aus allen Gegenden kamen nun die Herren und begehrten diese seltsame Adelheid zur Frau, alle aber mußten ihren Wagemut mit dem Leben bezahlen, alle stürzten hinab die Tiefe und wurden zerschmettert. -

Lange Zeit schien es, als ob kein Ritter mehr um Adelheid werben würde. Endlich wurde eines Tages ein Ritter gemeldet, der mit geschlossenem Visier antrat; ein schöner Jüngling begleitete ihn. Er verweigerte jede Auskunft über seine Herkunft. Er errang auch den ersten Sieg, denn als er an den glatten Stein der Burgmauer kam, bei dem alle anderen abgestürzt waren, streute er Asche darauf, und das Pferd schritt nun ohne Anstoß darüberhin. Dreimal gelang ihm auf diese Weise der schwere Ritt um die Burg. Doch als der Ritter sein Visier öffnete, da erkannte Adelheid in ihm den alten Grafen von Klettenberg. Aber nicht für sich hatte er sein Leben gewagt, sondern für seinen Sohn, der ihn begleitet hatte. Er bat die Gräfin, diesen zu ihrem Gemahl zu nehmen. Adelheid willigte mit Freuden ein.

Später hat Adelheid, von Gewissensbissen getrieben, viel Gutes gestiftet. Aber sie konnte keine Ruhe finden, denn immer mußte sie an die vielen Ritter denken, die sie so hartherzig in den Tod getrieben hatte. Noch heut soll sie um Mitternacht als Geist in der Burg umherwandeln."

Wer war nun jene Adelheid, über die die Sage so Erstaunliches zu berichten weiß? Man bringt sie mit dem Grafen von Klettenberg in Verbindung, u. a. wird dabei der Name Volkmar genannt. Die Quellen kennen beide Namen recht gut, doch nicht als Graf und Gräfin von Klettenberg. Im Jahre 1085 wird „Folmarus de Walkenreit“ zum erstenmal erwähnt. An anderer Bezeichnung trägt er auch den Namen „de Thuringia". Er war ein Freiherr aus dem Gefolge des Pfalzgrafen von Sommerschenburg und Putelendorf. In den Jahren zwischen 1107 und 1116 überläßt er den ihm gehörenden Ort Walkenried mit zwei benachbarten „villen“ und Liegenschaften der Benediktinerabtei Huysburg (bei Halberstadt), zwei Jahre später, 1118, tritt er selbst als Konverse in Huysburg ein, es folgen ihm zwei Söhne. Die Walkenrieder Güter werden zwar von der Abtei Huysburg gern genommen, eine Klosterstiftung lag jedoch nicht im Sinne des Abtes Altfried. Es kam zu harten Auseinandersetzungen mit Frau Adelheid, die Güter mußten als Leibgedinge zurückgegeben werden.

Fast ein Jahrzehnt später, 1127, geht der Wunsch Volkmars doch noch in Erfüllung; seine Gemahlin hat die Sache selbst mit Energie in die Hand genommen und stiftet den Ort mit allen Liegenschaften für ein Kloster der damals neu entstandenen Zisterzienser. Am 20. Januar zieht ein Konvent aus Altenkampen am Niederrhein, den Adelheid persönlich herbeigeholt hat, in die Mauern des neuen Klosters ein. Bestärkt durch Reichsprivilegien und Steuerfreiheiten jeglicher Art steigt das Kloster innerhalb eines Jahrhunderts zu einer der reichsten und mächtigsten Abteien Deutschlands auf.

Unsere Adelheid ist mit Sicherheit eine lohraische Grafentochter, ihr Vater wäre Graf Ludwig I. von Lare gewesen. Die Lohraer Grafen waren eng verwandt mit den Landgrafen von Thüringen, sogar ihr Erbbegräbnis hatten sie zusammen mit diesen in Reinhardsbrunn. Vom 10. bis ins 13. Jahrhundert regieren sie in ruhiger und ausgeglichener Weise ihr Komitat von ihrer Höhenburg, dann sterben sie aus. Die Größe der Anlage entsprach ihrem gesellschaftlichen Stand, davon zeugt auch die repräsentative Doppelkapelle, deren wir heute nur noch insgesamt drei in unserer Republik finden.

Quelle: Thüringer Tageblatt vom 10.08.1985, Michael Stampniok


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